Unmittelbar hinter dem „Haus Setterich“ halten wir uns rechts, queren eine parkähnlich gestaltete Fläche und uns bietet sich nach nur wenigen Schritten ein Blick in eine typische Siedlungsstraße Mitte der 1950er Jahre: die Erbdrostenallee. Allein aufgrund ihrer Breite eine Straße mit alleenartigem Charakter.
Die 1953/54 im Auftrag des Eschweiler Bergwerkvereins (EBV) gebaute Straße hat zwei unterschiedliche Haustypen. Auf der Ostseite stehen Wohnblöcke mit jeweils vier Dreizimmerwohnungen, auf der Westseite Einfamilienhäuser mit Einliegerwohnungen. Diese konnten von den Bergleuten unter bestimmten Voraussetzungen günstig erworben werden. Zu jeder Wohnung gehörte ein Garten, wie das in einer Bergmannssiedlung üblich war.
Die eigentliche Straße verlief auf der Westseite. Die Häuser auf der Ostseite hatten große Vorgärten, die in den ersten Jahren von den Bewohnern mit Blumen und Büschen bepflanzt wurden. Später ließ die Pflege der Vorgärten nach, zudem legten sich immer mehr Bewohner ein Auto zu. Für den Bergmann der 50er Jahre eher selten. Also wurden zwischen den Wohnblöcken einige Garagen gebaut und direkt vor den Häusern eine schmale Straße angelegt. Nicht mehr schön, eher langweilig.
Vor etwa 25 Jahren wurde die ganze Siedlung saniert. Die Häuser wurden renoviert und an die Fernwärme angeschlossen.
Im frühen Mittelalter verliehen die Kaiser und Könige ihren Gefolgsleuten besondere Ämter. Auch die Fürstbischöfe von Münster, die seit ca. 1200 selbständige Landesherren waren, zeichneten Personen ihres Vertrauens dadurch aus, dass sie ihnen Hofämter übertrugen, u.a. das Amt des Drosten.
Der „Droste“ ( auch Truchsess genannt) war der oberste Verwaltungsbeamte des Fürstbischofs von Münster und war als solcher für die Verwaltung der fürstbischöflichen Güter und Ländereien zuständig. Weitere Hofämter waren der "Marschall" (Pferde und Fuhrpark), der "Mundschenk" (Küche) und der "Kämmerer" (Finanzen)-
Die Hofämter waren mit bestimmten Lehnsgütern ausgestattet. Der „Droste“ erhielt im Jahre 1271 die Burg Vischering in Lüdinghausen als Lehen.
So kam es zum Namen „Droste zu Vischering“. Im Laufe der Zeit wurden die Lehen bei den Inhaberfamilien erblich. Daher nannte man die Hofämter auch Erbämter und den Drosten „Erbdroste“. Im Jahre 1840 wurden die Erbämter vom preussischen König als Titel für die betreffenden Familien nochmals bestätigt. Eine eigentliche Amtsfunktion hatten diese Titel aber schon damals nicht mehr.
1899 erwarb Erbdroste Clemens Graf Droste-Vischering die Burg in Setterich nebst den dazugehörigen Ländereien von der Familie Harst. Letzter gräflicher Eigentümer war Erbdroste Dr. Georg Graf Droste zu Vischering.
Als der EBV 1952 plante, die Bergleute für die Zeche „Emil-Mayrisch“ in Setterich anzusiedeln, kaufte er die „Burg Setterich“ und errichtete auf Teilen der Ländereien die ersten Wohnsiedlungen.
Zur Erinnerung an die ehemaligen Besitzer wurde eine der Straßen nach ihnen benannt.
Wir gehen durch die Barbarastraße - nach der heiligen Barbara, der Schutzpatronin der Bergleute benannt - bis zur Emil-Mayrisch-Straße, wo wir uns rechts halten und nach ca. 200 m die evangelische Gnadenkirche erreichen.
Bis in die zwanziger Jahre des vorigen Jahrhunderts wurden die wenigen in Setterich wohnenden evangelischen Christen von den nächstliegenden Gemeinden Geilenkirchen-Hünshoven und Jülich aus betreut.
Nach dem Ende des 2. Weltkrieges und mit Beginn der Kohleförderung auf der Grube „Emil-Mayrisch“ in Siersdorf wurde der Bedarf an Arbeitskräften auch in unserer Region immer größer.
Die Zeche schuf neue Arbeitsplätze und Arbeit wurde in ganz Deutschland und speziell im süd-europäischen Ausland dringend gesucht. Im Rahmen der sogenannten „Kohleaktion“ wurden 1953 zahlreiche Siebenbürger-Sachsen in Österreich für den Steinkohlebergbau angeworben. Viele von ihnen gelangten auf diesem Wege auch nach Setterich. In dem bisher nahezu rein katholischen Dorf fanden nunmehr auch viele evangelische Christen ihre Heimat.
Von etwa 1954 an zogen immer mehr Protestanten – vorwiegend evangelisch-lutherischen Bekenntnisses – in die neu angelegten Bergmannssiedlungen. Ihre Zahl wuchs von Jahr zu Jahr. Wie vorher erwähnt, kam ein großer Teil der evangelischen Neubürger aus dem rumänischen Siebenbürgen.
In einem 1998 erschienenen Buch über deren alte Heimat mit dem Titel „Spuren und Bilder aus Chepan – Heimatbuch der Gemeinde Tschippendorf in Nordsiebenbürgen“ von Georg Breckner ist nachzulesen: „ Da im 2. Weltkrieg die katholische Andreaskirche in Setterich völlig zerstört wurde, hielten die Gläubigen der Gemeinde ihre Gottesdienste in der aus Holz gefertigten Notkirche ab.
Auch die evangelischen Christen durften an Sonn- und Feiertagen diese Kirche nutzen. So wurde bereits damals Ökumene vor Ort praktiziert. Nicht nur deshalb genießt seit damals der katholische Pfarrer Joseph Stegers bei den Evangelischen besondere Achtung“.
Die Zahl der evangelischen Gemeindemitglieder wuchs jedoch so rasch, dass mit den Planungen für eine eigene Kirche bereits in den Jahren 1954/1955 begonnen wurde. Am 16. September 1956 konnte inmitten der Bergmannssiedlungen der Grundstein für die Gnadenkirche gelegt werden, welche dann am 23. Februar 1958 feierlich eingeweiht wurde.
Ausführlicher Bericht hierzu unter diesem Link: Evangelische Kirche
Siehe auch:
Wir gehen ein kurzes Stück zurück Richtung Hauptstraße und erreichen rechterhand die Selfkantstraße, in die wir einbiegen. Auf der Ecke zur Lessingstraße sehen wir die Turnhalle der ehemaligen Lessingschule.
Wie bei vielen öffentlichen Bauten der 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts, wurde bei der Errichtung der Turnhalle unterhalb des Gebäudes auch der Versorgungstrakt eines Hilfskrankenhauses eingerichtet. Dieses Krankenhaus wurde 1980 bei einer Diphterie-Epidemie ein einziges Mal genutzt. Mittlerweile ist es wegen Asbestbelastung nicht mehr zugänglich. Die Inneneinrichtung ist größtenteils entfernt.
Wir gehen bis zur Wolfsgasse und dann ein kurzes Stück in Richtung Puffendorf. Schon nach wenigen Metern befinden wir uns vor dem großzügigen Eingangsbereich des Sportzentrums Wolfsgasse. Es war die letzte große Baumaßnahme der vor der kommunalen Neugliederung selbständigen Gemeinde Setterich.
Der Hauptplatz mit Rasenfläche liegt in einer 400m Aschenbahn. Auf den ausgebauten Rängen finden mindestens 1.200 Zuschauer Platz. Für zahlreiche weitere Zuschauer gibt es noch Stehplatzmöglichkeiten rund um das Oval .
Diese Kapazität war vor allem bei der Eröffnung der Anlage am 25.06.1972 erforderlich, als rund 6.500 Besucher das Fußballspiel einer Auswahl von Spielern des SV 07 Setterich und des SV 09 Baesweiler gegen den amtierenden deutschen Fußballmeister Borussia Mönchengladbach sehen wollten.
Wir gehen weiter Richtung Friedhof und passieren dabei den rückwärtigen Teil der ehemaligen Gemeinschaftshauptschule – Lessingschule. Bereits 1954 war es erforderlich geworden, an dieser Stelle eine Evangelische Volksschule zu bauen, die wegen ständig steigender Schülerzahlen sowohl 1958 als auch 1962/63 jeweils um einen Schultrakt erweitert werden musste.
Wie schon zu Beginn unseres Rundgangs bei der Andreasschule ausgeführt, änderte sich mit der Schulreform von 1968 die Schullandschaft radikal. Die neu eingerichtete Hauptschule in Setterich startete in den Schulgebäuden der Andreasschule mit 14 Klassen und 13 Lehrern. 540 Schüler besuchten die Schule und schnell erwiesen sich die Räumlichkeiten an der Bahnstraße zu klein. So zog die Schule schon 1969 in das neue Gebäude an der Lessingstraße um. Mehrfach wurde das Schulgebäude umgebaut und erweitert.
Aufgrund sinkender Schülerzahlen Anfang dieses Jahrhunderts wechselte die GHS Lessingschule im Schuljahr 2010/2011 komplett zur GHS Goetheschule in Baesweiler.
Heute ist das Schulgebäude zu großen Teilen zu einer Wohngruppe für ambulantes betreutes Wohnen ausgebaut worden.
Wir gehen zurück Richtung Friedhof und treffen nach wenigen Metern auf den Malteser Jugendtreff.
Diese Einrichtung fand ihren Ursprung in einer Betreuungslücke für Settericher Jugendliche, die sich Ende der 1980er Jahre abzeichnete. Viele Jugendliche verbrachten ihre Freizeit nicht mehr in Vereinen oder im Freundeskreis. Auch gab es im Ort keine adäquaten Treffpunkte. Ehemalige Mitarbeiter und Besucher des katholischen Jugendheims und der CDU-Ortsverband stellten Anträge an Stadt und Kreis zur Einrichtung eines Offenen Jugendtreffs in Setterich. Begleitet wurden diese Anträge durch eine Unterschriftenaktion von Schülerinnen und Schülern der benachbarten Lessingschule. Die Verantwortlichen bei Stadt und Kreis sahen ebenfalls die Notwendigkeit einer solchen Einrichtung.
So eröffnete nach relativ kurzer Planungsphase am 4. Juli 1992 der Offene Jugendtreff Setterich ein eigens dafür durch den Kreis Aachen errichtetes großzügiges Gebäude an der Wolfsgasse - direkt neben dem Sportzentrum und hinter der Lessingschule gelegen. Die Trägerschaft übernahm zunächst das Jugendamt des Kreises Aachen.
Zum 1. Januar 2006 fand ein Wechsel in der Trägerschaft statt. Die Malteser Werke wurden für den Jugendtreff zuständig. Die Aufgabenbeschreibung liest sich wie folgt:
Diese Einrichtung der offenen Jugendarbeit soll ein Anlaufpunkt für Kinder und Jugendliche aus dem gesamten Stadtgebiet Baesweiler sein. Eine Besonderheit besteht darin, dass ein Mitarbeiter als Streetworker täglich unterwegs ist, um diejenigen Jugendlichen aufzusuchen, die nur schwer erreicht werden können und kein Interesse an den Regelangeboten der Jugendhilfe haben.
In der Einrichtung haben Kinder und Jugendliche die besten Möglichkeiten einer gezielten Freizeitgestaltung: Veranstaltungsraum, Internetcafe, Werkraum sowie Sportmöglichkeiten im Aussengelände.
Wir biegen von der Wolfsgasse an der nächsten Straße (Verlängerung der Straße "An der Burg") rechts zum Settericher neuen Friedhof ab.
Dieser Friedhof wurde 1956 eingeweiht, als sich abzeichnete, dass der bisherige Friedhof an der Hauptstraße bei dem rapiden Bevölkerungswachstum bald zu klein sein würde. Dank seiner Lage am Ortsrand waren hier auch große Erweiterungsflächen vorhanden. Bereits zwei Mal wurde der Friedhof seitdem auch erweitert.
Auf dem Bild oben ist der im Eingangsbereich des Friedhofs stehende Glockenturm zu sehen. Bei der Errichtung dieses Turms trug er die Glocke, die ihren ursprünglichen Platz in der Schule des Dorfes Tschippendorf in Siebenbürgen hatte.
Als sich die deutschstämmigen Bewohner des Dorfes Tschippendorf im August 1944 auf die Flucht nach Westen machten, nahmen sie diese Glocke zur Erinnerung an die aufgegebene Heimat mit in die ungewisse Zukunft.
Nachdem 1954 gut die Hälfte der ehemaligen Tschippendorfer in Setterich und Loverich ihre neue Heimat gefunden hatten, wurde die Glocke zunächst der evangelischen Kirchengemeinde zur Verfügung gestellt. Jedoch passte sie klanglich nicht zu den anderen Glocken des Geläuts und wurde deshalb beim Bau der evangelischen Kirche nicht berücksichtigt. Als dann der neue Friedhof eröffnet wurde, war man froh, auf diese Weise eine Aussegnungsglocke zu bekommen.
Die Glocke war allerdings lange Zeit durch einen Witterungsschutz völlig verkleidet, so dass sie nicht mehr zu sehen, sondern nur noch zu hören war. Im Jahr 2006 rief der Geschichtsverein daher zu einer Spenden- und Unterstützungsaktion auf, um diesem Missstand abzuhelfen. Mit schnellem Erfolg. Noch im gleichen Jahr konnte der neue Glockenstuhl für die Aussegnungshalle zur großen Freude vieler Gemeindemitglieder erstellt werden. Leider wurden im Jahr 2012 zunächst das Kupferdach und einige Tage später die Glocke gestohlen.
Dies konnte natürlich so nicht bleiben. Und so setzte sich unser Geschichtsverein für eine Spendenaktion zur Anschaffung einer neuen Glocke ein. Auch jetzt wurden erfreulicherweise viele Spender gefunden. Darunter die Sparkasse Aachen und die VR-Bank Würselen, die ebenso „dicke“ Geldbeträge beisteuerten wie auch der Baesweiler Kirchenchor, die Blasmusikkapelle „Siebenbürgen“ und viele weitere Einzelspender.
In der Glockengießerei Mark in Brockscheid in der Eifel - einer von nur noch 4 Gießereien in Deutschland - konnte somit eine Glocke gegossen werden, die in Form und Größe an die alte Tschippendorfer Glocke erinnert.
20 Mitglieder unseres Vereins waren eingeladen, am 19. April 2013, dem Guss der Glocke beizuwohnen.
„Der Guss ist der spektakulärste Schritt während der Entstehung einer Glocke und bei Weitem der kürzeste. Gut zwei Monate Vorarbeit sind bis dahin nötig. Jede Glocke ist ein handgefertigtes Unikat. Am Anfang steht das sogenannte Glockengießergeheimnis: das Wissen, wie man die Form der neuen Glocke so berechnet, dass sie später den gewünschten Ton hören lässt". Dazu entwarf die Chefin, Frau Mark-Maas, übrigens Deutschlands einzige Glockengießerin, ein genau berechnetes Brett, wegen seiner Form Rippe genannt.
Mit Hilfe der Schablone mauern die Gießer zunächst aus Ziegelsteinen den Kern, der später dem Hohlraum der Glocke entspricht. Auf ihn folgt die aus Lehm geformte „Falsche Glocke“, die in Form und Größe exakt dem später gegossenen Klangkörper gleicht. Pferdemist und Rinderhaare dienen als Bindemittel. Schließlich wird, ebenfalls aus Lehm, der Mantel geformt. Dann zerschlagen die Gießer die „Falsche Glocke“, so dass zwischen Kern und Mantel ein Hohlraum entsteht, ähnlich einer umgedrehten Gugelhupf-Backform. In ihn strömt durch die Gusskanäle die gleißende, orangefarbene 1100 Grad Celsius heiße Bronze. Die Ofenöffnung wird vollständig verstopft. Der Gussvorgang ist beendet.
„Großer Gott, wir loben dich“ stimmte Frau Cornelia Mark-Maas an und ihre Kollegen und wir Besucher sangen mit. Im Hintergrund richtete Tochter Charlotte schon den Schnaps. Ohne ihn kein Guss.
Ein paar Tage bleiben den Gießern, ehe die erkaltete Form ausgegraben, der Mantel zerbrochen und sie endlich die Antwort auf die wichtigste Frage ihres Handwerks bekommen: Wird`s auch schön zutage kommen, dass es Fleiß und Kunst vergilt? Wenn der Guss misslang? Wenn die Form zersprang?
Schlimmstenfalls müssten die Gießer von vorn beginnen. Doch diesmal war der Guss gelungen.
Zusätzlich bekam die Glocke die Inschrift
„Tschippendorf 1926, Setterich 2013. Die Glocke ruft, mahnt, erinnert.“
Siehe auch:
Wir gehen nun den Hauptweg des Friedhofes entlang bis zum Grab des langjährigen Settericher Pastors und Ehrenbürgers der Stadt Baesweiler, Herrn Pastor Joseph Stegers.
Pastor Joseph Stegers wurde am 2.Oktober 1912 in Mönchengladbach geboren. Mit Bischöflicher Urkunde vom 2. Dezember 1946 wurde er Pastor in Setterich und verstarb hierselbst am 1. August 2000.
Die Lebensgeschichte und das Wirken dieses in vielerlei Hinsicht verdienstvollen Menschen zu erzählen, würde den Rahmen dieses Berichtes übersteigen und würde sicherlich ein Buch füllen.
Und ein solches Buch gibt es. In Abstimmung mit unserem Geschichtsverein verfasste der frühere Realschuldirektor in Setterich und enge Mitarbeiter von Pastor Stegers, Herr Ernst Hönings, das Buch „Ein Priesterleben im 20. Jahrhundert“.
Wir verlassen den Friedhof und kehren zurück zur Wolfsgasse. In Richtung Bahnstraße erreichen wir schon nach wenigen Schritten das Gemeindezentrum des türkischen Integrations- und Bildungsvereins Setterich.
Das Grundstück, auf dem sich vorher eine Tankstelle befand, wurde bereits 1978 vom Islamischen Kulturverein erworben. Heute befinden sich in dem Gemeindezentrum auf einer Nutzfläche von über 2000m² neben einem großen Geschäftsraum ein Gebetsraum für Männer, Reinigungsräume, ein Gebetsraum für Frauen und eine Küche mit einem Essraum. In den beiden oberen Geschossen verteilen sich eine größere Anzahl von Lehr-, Aufenthalts- und Schlafräumen.
Siehe auch:
Nochmals etwa 150 m weiter treffen wir an der Ecke zur Bahnstraße auf das Parkrestaurant Werden. Bei diesem Gebäude handelt es sich um den ehemaligen Settericher Bahnhof. Von hier aus verbanden zwischen 1900 und 1953 die Züge der schmalspurigen Geilenkirchener Kreisbahn Setterich mit der "großen weiten Welt“.
Richtung Süden verkehrten die Züge über Baesweiler nach Alsdorf, wo man in die Staatsbahn oder die Straßenbahn nach Eschweiler umsteigen konnte. Nach Norden war die nächste Station der Bahnhof Puffendorf. Hier gab es Anschluss an die Jülicher Kreisbahn nach Jülich, bis 1935 zuständige Kreisstadt für Setterich. Von Puffendorf nach Westen führte die Strecke über die Haltepunkte Floverich-Apweiler und den Bahnhof Immendorf weiter nach Geilenkirchen, wo der Umstieg in die Züge der Staatsbahn nach Aachen oder Mönchengladbach (damals noch: München-Gladbach) möglich war.
Die Bahn wurde von der Bevölkerung geradezu liebevoll angenommen. Dies belegen nicht zuletzt die volkstümlichen Bezeichnungen für das Verkehrsmittel. Man nannte sie „et Zößje“, da sie sich im Gegensatz zur Reichsbahn auf einer Schmalspur bewegte. Aus dem Entlangstreifen an den Hecken und den Büschen entlang der Trasse erwuchs auch der Spitznamen „Heggeströöfer“ (Heckenstreifer).
Der Alsdorfer Mundartdichter Hein Küsters hat hierzu ein Gedicht verfasst, das wir Ihnen nicht vorenthalten wollen:
Dr Heggeströfer
De Jellekercher Schmalspurbahn,
dat worr en Lok met Jüterwan
on drej Wajongs för Passajiere.
Alles konnt me transportiere.
Eäpel uß et Heinsberger Lank
on uß de Selfkank Fummelsank.
Janze Zösch voll Zuckerknolle
leß me bes no Jüllisch rolle.
No Jangelt on Schierwaldenrath
hat dr Püffer Schlamm gebraht.
Prumme, Kappes, Schlat on Muhre
scheckete os stracks de Buure.
Et Zößje kruffet ohne Streß,
stolz wie dr Orient-Express,
va Dörp ze Dörp, janz pö a pö,
tösche Felder, Schossee on Köh.
Haue de Lü sich jett jesatze
op de Bänk va hölzer Latze,
hau alles Rille en de Batze
on en Zitt lang jett ze kratze.
Se fohre döcks op Hamstertour
bes henger Lennech an de Rur.
Et Zößje braht se jot no Heem,
met Botter, Eier, Speck on Seem.
Hau ich jeng Fennege als Jong,
sprong ich henge op Perrong
on laachet övver Schwellelööfer.
Verjeißt nie osse Heggeströöfer.
Am 13.09.1944 war die Bahn wegen des näherrückenden Kriegsschauplatzes stillgelegt worden. Durch die folgenden Kriegseinwirkungen wurde sie stark zerstört. Der Bahnkörper war teilweise vermint und durch Sprengungen oder Artilleriebeschuss unbrauchbar gemacht.
Der Aufbau in den ersten Jahren nach dem Krieg gelang nur schrittweise. Die ersten wieder eintreffenden Arbeitskräfte stellten sich freiwillig für Aufräumarbeiten zur Verfügung. Explodierende Munition erforderte leider neue Opfer.
Am 1. Februar 1946 konnte dann die Strecke von Geilenkirchen über Setterich nach Alsdorf wieder in Betrieb genommen werden. Durch die „Hamsterfahrten“ nach dem Krieg erreichte die Personenbeförderung einen einmaligen Rekord. Die einsatzfähigen Personenwagen reichten nicht mehr aus. Deshalb mussten oft offene Güterwagen zur Personenbeförderung herhalten.
Wenn auch in den ersten Nachkriegsjahren noch viele Menschen die Bahn als Verkehrsmittel nutzten, ging der Trend bald in eine andere Richtung. Im Juli 1949 kaufte die Geilenkirchener Kreisbahn die ersten Omnibusse und richtete auch Buslinien ein. Nun entschieden sich viele Menschen für dieses neue Verkehrsmittel, das viele Vorteile bot: günstiger gelegene Haltestellen, kürzere Zeittakte, höherer Bedienungskomfort.
1951 wurde die Omnibuslinie Geilenkirchen-Setterich-Baesweiler-Siersdorf-Aldenhoven eingerichtet. In Baesweiler bestand Anschluss an die ASEAG-Linien nach Alsdorf und Aachen. Da die Anzahl der beförderten Personen auf der Schiene stark zurückging, stellte die Kreisbahn den schienengebundenen Personenverkehr im Abschnitt Alsdorf-Geilenkirchen (somit über Setterich) im Jahre 1953 ein.
Seit 1952 entwickelte sich auch der Güterverkehr in zunehmenden Maße ungünstig. Neben den landwirtschaftlichen Betrieben lagen nur noch zwei Ziegeleien und ein Steinzeug-Betrieb im Einzugsgebiet der Bahn. Da der Zuckerrübenbau nach dem Krieg intensiviert worden war, entwickelte sich die Kreisbahn immer mehr zu einer „Rübenbahn“. Im gesamten Frachtaufkommen lag der Anteil der Rüben bei 61 %. Da die Rübenernte Ende September begann und Mitte Dezember abgeschlossen war, beförderte die Bahn in etwa 2 ½ Monaten 2 Drittel bis 3 Viertel der insgesamt anfallenden Güter. Die Bahnanlagen blieben also in der übrigen Zeit fast ungenutzt und so wurde der Schienenbetrieb schrittweise stillgelegt.
Nach dem Abbau der Gleisanlagen kaufte die Gemeinde Setterich 1960 den Geländestreifen von der Kreisbahn und baute die Wolfsgasse mit einer Teerdecke und breiten Gehwegen aus. An die einstige Kreisbahn erinnert heute nur noch die Bezeichnung „Bahnstraße“.
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